Von Arbeitspanzer zu Urlaubspelle: Wie wir (fast) von Mietern zu Käufern wurden

Herrn Zaster und mir ist im Urlaub ein äußerst merkwürdiges Verhaltensmuster an uns aufgefallen. Wiederholt haben wir uns vor Immobilien-Büros wiedergefunden.  In jeder Stadt, die wir besucht haben, standen wir mindestens einmal vor einem Schaufenster voller Bilder von Häusern, die man bereits für umgerechnet 60.000€ erwerben konnte. Bei ortsansässigen Käufern waren Anwesen, die etwas abseits der großen Städte lagen, mit mehreren Hektar Grundstück, angrenzendem Wald und allem, was man unserer Meinung nach zum Leben braucht, nicht so gefragt, somit entsprechend günstig und umso gefragter bei uns.

Ich werde nun kein Fass zum Thema mieten oder kaufen aufmachen. Dazu gibt es tolle Beiträge auf verschiedenen Finanzseiten. Interessanterweise ist der Konsens ist in der Finanzblogger-Szene pro Mieten, ganz im Gegensatz zu der sonstigen Einstellung deutscher Bürger, die spätestens mit der Familiengründung auf der „Häusele kaufen“-Welle surfen.

Wir konnten uns das bis jetzt nicht vorstellen. Wir sind Großstädter – er  nativ, ich zugezogen – und die Immobilienpreise in unserer Stadt sind einfach nicht rational schönzureden. Da braucht es dann auch keine langen Für- und Wider-Listen: In der Wider-Spalte steht ganz oben der Preis, der nicht mal durch das emotionalste „Haben wollen!“ inklusive pseudo-rationaler Rechtfertigung wieder aufgewogen werden kann.

Wie kommt es also, dass zwei Großstädter und überaus zufriedene Mieter (ich sage nur 385€ inkl. Nebenkosten pro Nase für über 90m²) auf einmal vor Bildern von Hütten im Wald stehen und anfangen Einsiedler-Pläne zu schmieden?

Ich nenne dieses Phänomen die Urlaubspelle. Die Urlaubspelle bildet sich an etwa dem zweiten bis dritten Tag des Urlaubs. Sie löst den dicken Arbeitspanzer ab, den man sich als Vollzeitarbeiter zulegt, um den anstrengenden und nervigen Situationen des Alltags gewachsen zu sein. Die Urlaubspelle sorgt dafür, dass  die Luft im Urlaubsland nach Honig riecht, der günstigste Wein wie Ambrosia schmeckt  und verdreht einem den Kopf, sodass sich ein kleiner Flirt plötzlich wie die große Liebe anfühlt.

Wir haben uns ebenfalls verliebt: In die Idee irgendwo in der sächsischen Schweiz ein kleines Häuschen mit Waldgrundstück zu kaufen und daraus ein Bed and Breakfast zu machen. Herr Zaster könnte sich endlich seinen kleinen  Vorratsbunker bauen und ich könnte meinen russischen Wurzeln freien Lauf lassen, die mich dazu bringen allen Menschen in meiner Umgebung mein selbstgemachtes Essen aufschwatzen zu wollen.

Als wir nach unserer Reise wieder zu Hause angekommen sind, haben wir als erstes nach passenden Objekten gesucht. Das ging etwa 1-2 Tage so. Und dann wuchs langsam der Arbeitspanzer nach und ließ die Urlaubspelle bröckeln…

Deutschland ist teuer, selbst in ländlichen Gegenden. Um eine Fremdfinanzierung kämen wir  nicht drum rum.

Außerdem haben  wir die wirklich weltbeste Pizzeria in Liefernähe. Wir sind Gewohnheitstiere und das leidenschaftlich gerne. Wir lieben unsere Wohnung. Liebeliebe. Tief und innig. Mit Eigentum könnten wir nicht zufriedener sein.

Und Landleben? Keine Ahnung, was vor allem mich da geritten hat. Ich bin auf dem Land groß geworden und habe es gehasst.

Die Urlaubspelle ist offenbar wieder runter und wir bleiben glückliche Mieter. Trotzdem ist mir in diesem Zusammenhang ein Pro für Eigentum durch den Kopf gegangen, das ich noch mit euch Teilen möchte, weil mich meine eigenen  Gedankengänge da sehr amüsiert haben. Ja ich gehöre zu den seltsamen Leuten, die zu irgendwelchen Themen verschiedene Szenarien durchspielen und dann auch mal laut loslachen, wenn etwas Witziges im Kopfkino passiert. Für Außenstehende muss ich manchmal wie eine Verrückte  wirken. Naja.

Aber zurück zum Pro  für Eigentum:

Kennt ihr das, dass Eltern und Großeltern vorzeitig mit dem Erbe rausrücken *räusper* ich meine natürlich ein „Darlehen“ zur Verfügung stellen, natürlich zinslos, dass irgendwann in fernster Zukunft *hust*NIE*hust* zurückgezahlt wird? Das ist gerade mal wieder in meinem Bekanntenkreis vorgekommen und auch in meiner Familie ist das üblich. Meine Großeltern haben fleißig bei den Häusern ihrer Kinder mitgezahlt. Meine kleine Schwester wird irgendwann mit Sicherheit ebenfalls in den Genuss dieses „Darlehens“ kommen.

Und Fräulein Zaster? Die wird wie es aussieht fröhlich weitermieten – ohne zinsloses, nicht rückzahlungsverpflichtendes Darlehen von der Familie. Was die mit Ihrem Geld macht, versteht von denen sowieso keiner so recht. Die verdient doch jetzt gut und könnte sich zusammen mit Herrn Zaster problemlos eine Wohnung kaufen. Aber nein, stattdessen mietet sie weiter und investiert in böse, gefährliche AKTIEN! Schockschwerenot!

Nur ein Scherz: Niemand aus meiner Familie weiß, dass ich ein Depot habe. Da könnte ich genauso sagen, ich sei spielsüchtig.

Ich amüsiere mich gerade mit der Vorstellung, was die Reaktionen wären, wenn ich eine solche familienfinanzierte Eigenkapital-Subventionierung in meinem Depot versenken würde. Oh, oh…

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
35 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
benwilliam
benwilliam
8 Jahre zuvor

heyho,

Ohja kenne diese „Denkensweise“ der Familie nur zu gut.
Aktien? dieses teuflische Zeug, da kann man nur verlieren.
Nur solide Wände und solides Handwerk ist das Wahre.

Allerdings habe ich mich trotzdem für eine Eigentumswohnung entschieden.
(Falls es jemanden interessiert warum: habe es konkret an meiner finanziellen Situation hier beschrieben: http://benwilliam10.blogspot.de/2014/04/kaufen-oder-mieten.html)

Pippo
Pippo
8 Jahre zuvor

Danke für den kurzen und unterhaltsamen Beitrag, „sowas“ vermisse ich in anderen Finanz-Blogs.

Dummerchen
Dummerchen
8 Jahre zuvor

Schön, dass Du wieder mit einem eigenen Beitrag zurück bist. Die Wartezeit wurde zwar mit Gastbeiträgen „überbrückt“, aber um es vorsichtig zu sagen: Mir sind Originale deutlich lieber!

Romsdalen
8 Jahre zuvor

Guter Beitrag!
Vor allem der letzte Teil mit dem zinslosen familieninternen Darlehen kommt mir auch äusserst bekannt vor.
Und der Gedanke, so ein Darlehen einfach an der Börse zu investieren ist echt ein witziger Gedanke. Also in meiner Familie würde ich dafür enterbt werden, geteert und gefedert und vermutlich würden die Weihnachtsgeschenke für die nächsten 100 Jahre gestrichen werden 😉

Malzfranz
Malzfranz
8 Jahre zuvor

So ein lustiger und schöner Beitrag

Matthias
8 Jahre zuvor

also ich war bis 2008 auch in der glücklichen Lage eine EFH mit Scheune und Garten für 300,-€ kalt zu mieten. Dummerweise wurde das Haus an die Stadt verkauft und ich mußte mir was anderes suchen. Zu diesem Zeitpunkt mit 2 Katzen und einem Hund, also ein denkbar schlechter „Mieter“… Also hab ich damals ein kleines EFH gekauft und bin mit dieser Entscheidung auch soweit glücklich, meine Frau und ich haben mittlerweile ca. 50% abbezahlt und werden die Restschuld nach der Zinsbindung (2018) auf einen Schlag begleichen. Das Haus soll später dann zur Vermietung bereitstehen, wenn wir unser Lebensprojekt verwirklichen und auf unseren „eigenen“ Lebenshof ziehen.
Würde ich anders handeln? Womöglich nicht, da wir bei uns im badisch-schwäbischen ja schon sehr emotional an unser Eigenheim gebunden sind. Und gerade von Freunden die auch Hund oder Katze haben hören wir immer wieder wie schwer es ist eine Mietwohnung, oder ein kleines Häuschen zu finden.
Trotz alledem werden natürlich andere Investitionen nicht kategorisch abgelehnt.
herbstliche Grüße vom Eigenheimer
Matthias

trackback

[…] zum Artikel: Von Arbeitspanzer zu Urlaubspelle: Wie wir (fast) von Mietern zu Käufern wurden […]

Ralph
8 Jahre zuvor

Hallo,

ich komme auch vom Land und auch hier kann man sehr günstig Häuser kaufen, mit 120000€ ist man gut dabei.

Das Interessante dabei ist aber, dass man diese Häuser auch für 400 bis 500€ pro Monat mieten kann und dann nicht die hohen Instandhaltungskosten anfallen. Aus ökonomischer Sicht würde ich daher ein Haus auf dem Land eher mieten, da diese kaum Wertsteigerung haben, sondern eher verlieren.

Gruß Ralph

Bea
Bea
8 Jahre zuvor

Schöner Beitrag und für mich absolut nachzuvollziehen!

Ich hatte ja schon mal von unserem Haus geschrieben und dass mich keine Investition so glücklich macht wie diese. Schon gleich gar nicht die 200-300 T€ im Depot, die ich da mehr hätte (und mein Mann 2x so viel wie ich und auch er ist der selben Meinung). Das Haus ermöglicht mir mein Hobby Garten, ich kann ein Freigängertier halten (zeig mir den Vermieter, der Löcher und Klappen in den Wänden zulässt ;-)) ) und ist mit Kosten von ca. 300 €/ Monat für Gas, Wasser, Steuer, Müll, Schneedienst, Versicherungen etc. für uns beide insgesamt absolut günstig.
Allerdings:
– wir brauchten keinerlei Fremdkapital, haben nicht geerbt/ gelottot, nur überlegt konsumiert und viel gearbeitet
– wir sind Bauing.+ Architekt, haben uns das Haus maßgeplant und wussten genau, was technisch möglich + vor allem nötig ist
– wir haben das Grundstück in Berlin im Jahr 2007 gekauft und das war für heute Verhältnisse geradezu noch günstig
– unsere Nachbarn sind neutral oder super nett, wir helfen uns in der Urlaubszeit aus und das ist viel wert
– vermutlich bin ich auch deshalb so absolut entspannt mit dieser Geldausgabe, weil ich anhand meiner „Zukunftsfinanzplan-Tabelle“ (nach einer Idee vom Privatier) sehe, dass meine finanziellen Verhältnissen jetzt + in Zukunft erfreulich solide sind.

Und falls ein Haus/ Wohnung wo auch immer mal zu Deinem/ Eurem Herzenswunsch wird und Ihr dem nachgebt, dann kann das bei entsprechender Vorbereitung sehr viel mehr glücklich machen als der Blick ins Depot – der kann eben auch absolut deprimierend sein – war bei mir im Jahr 2008 so und ich war froh, dass ich das Geld nicht gebraucht habe.

LG
Bea

Christoph
8 Jahre zuvor

Danke für diesen persönlichen Beitrag, war eine angenehme Abwechslung.

LG
Chris

Alexander
8 Jahre zuvor

Schön geschrieben. Wart ihr in Südafrika? Schaut aus wie der Tafelberg bei Kapstadt.

Das „Problem“ habe ich auch. Immer in die Schaufenster von Immobilienbüros gucken und mit uns daheim vergleichen.

Ex-Studentin
Ex-Studentin
8 Jahre zuvor

Ich hoffe, du hast dich in deinem Urlaub gut erholt! 🙂 Interessant, wie du kurz von Tagträumereien in Versuchung geführt wurdest. Das Komische ist: Man will oft das, was man nicht hat. Ich mag zwar mein Stadtleben, aber mittlerweile verdränge ich langsam wieder, wie schlimm ich als Jugendliche das Landleben fand und vermisse sogar einen Teil davon.

mafis
8 Jahre zuvor
Reply to  Ex-Studentin

Genau den Gedanken hatte ich gestern auch gehabt, von wegen man schätzt immer das viel mehr, was man nicht mehr hat. Müsste man sich eigentlich wieder viel bewusster machen.

mafis
8 Jahre zuvor

Schön das du wieder da bist. Ich erwarte jetzt natürlich auch noch ein paar Fotos 😉

Das Thema ist mir auch schon öfters durch den Kopf gegangen. Wenn man Zeit mal zum denken hat, dann kommen ein ganz andere Gedanken, welche man sonst gar nicht so kennt.

Aktuell bin ich auch immer noch sehr pro Mieter. Aber würde nicht versprechen, das es in 10 oder 15 Jahren immer noch so ist. Für mich ist das Thema auch irgendwie sehr Lebensphasen abhängig. Bin ich jung reicht mir die kleine Wohnung in der großen Stadt. Mit der Familie naja irgendwas am Stadtrand oder auch nah einer Stadt im Dorf. Und im Alter wohl eher eine kleine Wohnung. Die Frage wäre, wie bekommt man das am besten hin 😉

Und ich glaube jede Sache hat halt immer seine Vorteile und Nachteile. Die Frage ist halt, wie man etwas gewichtet.

mafis
8 Jahre zuvor

Da hast du wohl Recht. Naja, bei mir ist dieses Bild von Haus mit Garten = Dorf im Kopf gesetzt. Aber man kann es genau so ja auch in der Stadt haben. Viel mehr meine ich wohl einfach eine etwas größere Wohnfläche, wo man sich nicht ständig auf die Füße tritt.

Ein wirklichen Nachteil gibt es also im realen nicht wirklich. Alles wohl eine Auslegungssache.

Michael
8 Jahre zuvor

Super das du wieder da bist ! Deine Art zu schreiben hat gefehlt ! Bringst ja doch nen frischen Wind in die trockene Finanzwelt 🙂

Mein Geldanlage Vergleich

Hallo Fräulein Zaster,

schön das du wieder zurück bist. Ich hoffe ihr hattet ein schönen Urlaub.
Die denkweise deiner Familie ist mir nicht unbekannt. In meiner Familie ist das bis auf ein paar kleine Ausnahmen genauso. Auch in meinem Bekanntenkreis verhält sich das ähnlich. Die Abneigung gegen Aktien scheint sehr tief verwurzelt zu sein. Aber ich habe auch festgestellt, dass jeder der sich eine Zeit lang mit Aktien beschäftigt hat, ein Anhänger dieser Geldanlage geworden ist. Da liegt eventuell das Problem. Viele haben einfach keine Lust (Zeit) sich mit dem Thema genauer zu beschäftigen, was sehr schade ist.

Viele Grüße Klaus-Dieter

Oliver
Oliver
8 Jahre zuvor

Obwohl ich mich von dem Gedanken Wohneigentum schon länger verabschiedet habe, schaue ich auch immer sehr gerne, wenn ich unterwegs bin, was dort so ein Häuschen oder eine Wohnung kostet. Irgendwie ist dieses Gen wohl in uns allen drin. Wenn ich zu Hause bin, dann mache ich mir keine Gedanken darüber. Es gibt sowohl viele Argumente für eine Immobilie oder dagegen und ich finde beide haben aufgrund der Wünsche und Lebensziele des Einzelnen ihre volle Berechtigung. Mir geht es aber wie dir: Ich möchte finanziell lieber unabhängig sein und bestimmen, was ich mit meiner Zeit mache. Wohnen kann ich überall und der Gedanke einer festen Umgebung (My home is my castle) ist nicht sonderlich ausgeprägt.

Viele kaufen ihre Immobilien vor dem Hintergrund der Familiengründung und wie es hier auch geschrieben wurde, möglichst im grünen. Das machen sehr viele, auch mein bester Freund, der sich vor fünf Jahren mit seiner Familie in einem Kaff am Ende der Welt verkrochen hat. Aber sie sind sehr glücklich damit und von daher war es der richtige Entschluß.

Ich denke, wichtig ist es, sich frühzeitig zu entscheiden, welchen Weg man gehen möchte. Solange man noch nicht entschieden hat, hängt man in der Schwebe, was am Anfang sicherlich auch nicht so schlimm ist. Wenn man aber keine Immobilie kaufen möchte, kann man sich richtig in das Aktiengetümmel stürzen und nach und nach sein zweites Einkommen aufbauen. Andersherum mit Eigenheim gehts halt darum, möglichst ohne Risiken möglichst viel Eigenkapital anzuhäufen. Solange man in der Schwebe ist, würde ich aber trotzdem in Aktien/ETFs anlegen, da ich die Jahre nicht verschenken möchte (Zinseszins), falls ich mich doch dagegen entscheide.

plutusandme
8 Jahre zuvor

Sehr erfrischender Beitrag. Zu Immobilien ja oder nein gibt es so viele Meinung in der Bloggerwelt. Über eins muß sich jeder im Klaren sein. Immobilien heißt auch oft Im-mobil zu sein, d.h. in jungen Jahren die Beruflichen Möglichkeiten , die sich ergeben nicht zu erreichen oder sagen wir mal schwieriger zu erreichen , weil das Häuschen ja wieder veräußern werden müßte oder zumindest vermieten, wenn ich einen Job in einem anderen Ort annehme. Für eine Immo spricht im Moment allerdings das Zinsniveau , welches jemanden bestimmt öfter über die eigenen 4 Wände nachdenken läßt. So war es auch bei uns. Nach dem Studium und den ersten Jahren im Beruf hat jeder von uns beiden seine Position gefunden und das eigene Häuschen war dran. Heute haben wir in unserem Portfolio auch aufgrund des Zinsniveaus, zusätzlich 2 Miethäuser. Ein Effekt ist hier sehr schön beschrieben. Auch wir stehen im Urlaubsort vor den Schildern mit den Hausangeboten. Muß wohl eine Urlaubslaune sein, die man mitbucht 😉