Wegschmeißen isst nicht!
Eine sehr gute Freundin von mir arbeitet aktuell auf einer Messe bei mir in der Stadt als Hostess und da sie vor ein paar Jahren von hier weggezogen ist, kommt sie so lange bei mir unter. Gestern Abend saßen wir zusammen und haben uns gegenseitig auf den neusten Stand der Dinge gebracht. Als ich erwähnt habe, dass ich aktuell meine alte Wohnung auflöse und noch ein paar Gegenstände unter unter Leute bringen muss, weil ich sie so ungerne wegschmeiße, meinte sie zu mir:
„Das ist ja noch gar nichts. Ich musste heute 180 Croissants rauswerfen.“
Ich habe Sie einige Sekunden mit großen Augen angeschaut und dann nur ein „Wie bitte?“ rausbekommen. Die Firma, für die sie als Hostess arbeitet, hat für eine Veranstaltung hunderte von Croissants bestellt. Über 200 sind übrig geblieben. Mitbekommen hat meine Freundin dies erst um 18 Uhr, als die Tafel schon zu hatte. Sie hat es telefonisch noch bei einigen anderen Adressen versucht, aber letztendlich war nichts zu machen, weil niemand ohne Ticket auf das Messegelände hätte kommen können.
Zum Schluss hat sie sich zwei große Tüten abgepackt und unterwegs direkt an Obdachlose verteilt. Trotzdem musste sie immer noch 180 Croissants wegschmeißen, da auf der Messe ein Tag alte Lebensmittel wohl nicht mehr verteilt werden dürfen.
Mir ist noch nie ein dekadenteres Beispiel dafür untergekommen, in welchem Überfluss wir leben und mit welcher Selbstverständlichkeit wir mit vollen Händen zum Fenster rauswerfen, was am anderen Ende der Welt in ebenso großem Maße fehlt.
82 Kilogramm von Jedem
Laut einer Studie der Universität Stuttgart, produziert jeder von uns im Laufe eines Jahres 82kg Lebensmittelmüll. Das sind 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel für Deutschland. Das wenigste davon ist wirklich verdorben oder ungenießbar. Meistens sind es Produkte, die auf uns einfach nicht mehr appetitlich genug wirken. Äpfel, die Druckstellen haben, Tomaten, die etwas weicher geworden sind, Möhren mit einzelnen schwarzen Flecken. Eben vor allem Lebensmittel, die frisch gekauft werden und keine Konservierungsstoffe enthalten. Lebensmittel, die eigentlich so wichtig und gut für uns sind.
Häufig werden auch Produkte weggeworfen, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben. Vor allem Milchprodukte werden dann in viele Fällen gar nicht erst geöffnet, um zu prüfen, ob sie wirklich verdorben sind, sondern direkt entsorgt.
Es ist das ›MINDEST‹haltbarkeitsdatum
In vielen Fällen sind seit kurzem abgelaufene Lebensmittel noch völlig in Ordnung. Ich persönlich unterziehe alles, was in meinem Kühlschrank steht, regelmäßig dem Augen-Nase-Test: So lange es noch gut aussieht und gut riecht, wird es auch gegessen. Außerdem merke ich durch die häufige Überprüfung direkt, wenn ein Produkt so langsam seinen Zenit überschritten hat. Es wird dann zeitnah in einem passenden Gericht verwurstet. Wenn Essen übrig bleibt, wird es am nächsten Tag gegessen oder eingefroren und irgendwann wieder hervorgeholt. Ausnahmslos. Und wenn Etwas eine olle Stelle hat, wird diese rausgeschnitten und der Rest weiterverwendet. So lange das Essen noch nicht schimmelt, passiert da nichts, und bei hartem Käse und fester Salami reicht es sogar Schimmelstellen großzügig rauszuschneiden.
Ich habe dieses Jahr einen angebrochenen Becher Sahne weggeschmissen, der sich hinter einem Stapel Butter versteckt hat, zwei schimmelige Zwiebeln und zwei Portionen Hühnerbrühe, die ich leider nicht rechtzeitig eingefroren habe. Sonst nichts.
Das sind Hunderte von Euro, die man so jedes Jahr sparen kann. Alles andere ist nicht nur teuer, sondern, in Anbetracht von grassierendem Welthunger, auch absolut tragisch.
Ich handhabe es auch wie du. Riechen, anschauen und probieren. Wir schmeißen nur wirklich kaputte Sachen weg und das ärgert mich dann meist auch noch. Letzthin habe ich von einem Arbeitskollegen gehört, er schmeißt die Lebensmittel bereits einen Tag vor! Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum weg. Da hat es mich regelrecht geschüttelt. Der sinnvolle Umgang mit Nahrungsmittel (und Ressourcen) hat mit Sicherheit nichts mit Geiz zu tun, ist wohl eher eine ethische Einstellung. Respekt vor deiner Freundin. Schönen Gruß unbekannterweise 😉
Einen Tag vor Haltbarkeitsdatum raus schmeißen ist ja krass. Das ist nun wirklich einfach Verschwendung.
Schöne Grüße zurück 🙂
Ja, als wir noch in Deutschland gelebt haben, ist bei uns auch so einiges in den Müll geflogen. Schlecht war das Zeug sicherlich noch nicht.
Durch das Leben im Ausland hat sich das stark gewandelt. Bekommt man jetzt zum Beispiel Frischkäse ist er a) so teuer oder b) zu selten zu bekommen, so dass da garantiert nichts mehr wegfliegt.
Der nachlässige Umgang ist in erster Linie dem Überfluss und den vergleichsweise niedrigen Lebensmittelpreisen in Deutschland geschuldet. Die Studie ist aber auch nicht ganz in Ordnung. In den zitierten 82 kg sind – wenn ich es richtig verstanden habe – einfach nur die angenommenen Lebensmittelabfälle in Biotonne und Restmülltonne enthalten. Es wird hierbei nicht differenziert, ob es sich um verzehrfähige bzw. ehemals verzehrfähige Stoffe handelt oder um „echten“ Müll. Kartoffelschalen und Kohlstrunke sind in den 82 kg auch enthalten. Reine Effekthascherei.